2:2 (1:1)

Schade. Das war das Wort, das ich nach dem Rückspiel in keiner an mich gerichteten SMS oder Mail lesen wollte. Jetzt muss ich selber dauernd sagen: Schade, schade, schade.

Nach den Erfahrungen im Hinspiel, das bereits jetzt zu meinen größten Spielen aller Zeiten gehört, hätte es so schön sein können. Aber das war es eben nicht. Doch auch das gehört zum Fußball. Die DFB- und DFL -Oberen möchten zwar alles sie störende per Dekret ausschließen, doch das geht nicht. Sie hätten gerne die 2006er WM-Seligkeit in jedem deutschen Stadion – an jedem Spieltag. Könnt ihr vergessen. Weil du als Fan so ein Spiel nach einer möglicherweise stundenlangen Anfahrt in mitunter völlig überfüllten Verkehrsmitteln, einer in der Regel ziemlich peniblen Kontrolle am Stadioneingang und inmitten deinesgleichen dem Spiel ganz anders entgegenfieberst als jemand, der sein Auto unterm Stadion parken darf, im VIP-Raum noch einige Schnittchen zu sich nimmt, um sich dann ungefähr auf Höhe der Mittellinie in den bequemen Sitz zu platzieren. Natürlich auch nur unter seinesgleichen. Das soll jetzt nicht heißen, dass der Fan an sich edel, hilfreich und gut sei. Das heißt nur, dass die Funktionäre keinen blassen Schimmer vom Leben und Fühlen eines Fans haben.

Doch zurück zur Relegation. Der Ärger begann nach dem 2:1-Führungstreffer der Fortuna. Weil Hertha-Fans (ich lasse hier den an dieser Stelle gerne benutzten Begriff ‘so genannt’ bewusst weg) unter anderem Bengalos zündeten und diese aufs Spielfeld warfen. Dass gleichzeitig im Fortuna-Block ebenfalls einige Bengalos abgebrannt werden, fällt nicht weiter ins Gewicht, weil sie eben nicht aufs Spielfeld geworfen wurden. (Ich weiß, Bengalos sind verboten und können andere gefährden. Sie werden aber trotzdem in schöner Regelmäßigkeit gezündet. Übrigens, Steuerhinterziehung ist ebenfalls verboten.) Das Spiel musste auf jeden Fall unterbrochen werden. Wahrscheinlich leider zum Nachteil der Fortuna, weil sie unmittelbar nach dem Führungstreffer in der besseren psychologischen Situation war als ihr Gegner. Wenige Minuten vor Schluss erzielte Hertha den Ausgleich. Bliebe es bei dem Spielstand, wäre die Fortuna erstklassig. Erzielte die Hertha noch ein Tor, blieben die Berliner in der ersten Liga.

Die Nachspielzeit begann. Der vierte Unparteiische zeigte eine Nachspielzeit von sieben Minuten an, die hauptsächlich aufgelaufen waren, weil wegen der Hertha-Fans das Spiel voher unterbrochen werden musste.  Leider ist es so, dass die Uhr an den beiden Anzeigentafeln, auf denen die laufende Spielzeit anzeigt wird, bei der Anzeige von 90 Minuten stehenbleibt. Das nur mal am Rande für alle neunmalklugen TV-Fußballer. Es ist im Stadion nicht zu erkennen gewesen, wie lange noch gespielt wird. Und sieben Minuten sind gefühlt verdammt lang.

Schließlich kam es dazu, dass wenige Fortuna-Fans ungefähr 90 Sekunden vor Ablauf der sieben Minuten einen Schiedsrichterpfiff als Abpfiff fehlinterpretierten und zum Feiern aufs Spielfeld stürmten. Dann setzte so etwas wie Schwarmdummheit ein und gleich war der Rasen voll mit vielen Fortuna-Fans. Die wollten auch feiern, die wollten kein ‘Blutbad’ anrichten, wie es der Hertha-Rechtsanwalt behauptete. Doch Schiedrichter Stark hatte noch nicht abgepfiffen. Es folgte eine längere Unterbrechung. Die Spieler gingen vom Feld und gemeinsam (Stadionsprecher, Ersatzspieler, Betreuer und auch die Ordner) wurde versucht, die feiernden Fans wieder vom Platz zu bewegen. Das dauerte seine Zeit, aber es gelang. Das spätere Eingeständnis von Fortunas Vorstandsmitglied Peter Frymuth, dass das Sicherheitskonzept überarbeitet werden muss, ist auf jeden Fall berechtigt. An dieser Stelle nur noch einmal zur Klarstellung: Die Fans gelangten in friedlicher Absicht auf den Platz und gingen auf sanften Druck auch wieder. Gewaltszenen habe ich nicht bemerkt. Verletzungen kamen nicht vor.

Bis die Fortunen zusammen mit den Schiedsrichtern wieder auf dem Platz waren, saß ich in einer Art Schockstarre auf meinem Stuhl, sah mir das Geschehen an, und dachte schade, das ist sehr schade. Noch schlechtere Gedanken überkamen mich, als ich mitbekam, dass die Berliner Spieler anscheinend gar nicht mehr spielen wollten (das muss die Angst vor dem kurz bevorstehenden Blutbad gewesen sein, eindeutig).

Es gab dann noch einen regulären Abpfiff und die Fortuna war sportlich aufgestiegen. Da die Hertha erwartungsgemäß Protest einlegte, ist derzeit noch nicht klar, ob es dabei bleibt. Schade, das chaotische und letztendlich ungewisse Ende verhagelte mir die Feierlaune nach dem Spiel gewaltig.

Ein Wort zu dem grundsätzlich nachvollziehbaren, aber völlig verlogenen Protest der Hertha. Ich habe nach dem verfrühten Platzsturm Sascha Rösler und Fortunas Mannschaftsbetreuer Aleks Spengler gesehen, die versuchten, die eigenen Fans vom Platz zu scheuchen. Mir ist nicht aufgefallen, dass einer von der Hertha-Bank auf die eigenen Fans zugegangen ist, um sie vom Abfackeln und Werfen der Bengalos abzuhalten. Aber vielleicht habe ich auch nicht aufmerksam genug zugesehen.  Zunächst versuchte nur Torwart Kraft auf die eigenen Fans positiv einzuwirken, bevor weitere Spieler sich vor dem Hertha-Fanblock postierten und mit dem Abräumen der brennenden Fackeln begannen. Vielleicht hatten die Herthaner ja schon zu diesem Zeitpunkt Todesängste – vor den eigenen Fans.

Ähnlich untauglich wie das vorhandene Sicherheitskonzept war die Kommunikation der Fortuna nach diesem Spiel. Bis jetzt gibt es auf der Website, die gestern im Übrigen gar ‘nicht zu erreichen’ war, keine offizielle Stellungnahme zu den Vorkommnissen am Dienstag. Das ist auch schade und vor allen Dingen alles andere als erstligareif.

Zum Schluss noch ein Satz zum Platzsturm. Es wird in den Medien so getan, als sei dies ein ganz neues Phänomen, das es schleunigst abzuschaffen gelte. Völliger Blödsinn. Seit Jahrzehnten werden Fußballer von ihren Fans auf den Schultern nach einem wichtigen Erfolg vom Platz getragen. Dies war unter anderem auch schon nach Fortunas erstem Bundesligaaufstieg im Jahr 1966 der Fall. Bei der Meisterfeier des HSV 1979 kam es zu vielen verletzten Fans, weil sie auf den Platz stürmen wollten, von den damals noch vorhandenen Zäunen jedoch vorübergehend daran gehindert wurden. Ich bin froh, dass es keine Zäune mehr gibt. Hillsborough darf sich nicht wiederholen.

Es ist schade, dass das Relegations-Rückspiel so endete. Aber das ist noch lange keine Schande.