Wenn T.C Boyle auf Yasmina Reza trifft…

…kommt Gerald Wenge raus. In „Die Terranauten“ lässt Autor Boyle die Geschichte um ein wissenschaftliches Experiment in einem geschlossenen Ökosystem ausschließlich aus Sicht von drei der beteiligten Protagonist*innen beschreiben. In Yasmina Rezas Theaterstücken entwickeln sich harmonisch beginnende Abende unter Freund*innen gerne zu explosiven Konflikten.

Bei Wenge geht es in „Frauen spüren das“ um drei mehr oder weniger befreundete Paare, die sich gemeinsam in die Schweizer Berge aufmachen, um einen entspannten Silvesterurlaub zu verbringen. Jede*r bringt seine Alltagssorgen mit, die Erwartungen an den Kurzurlaub könnten nicht unterschiedlicher sein.

Ähnlich wie Boyle lässt Wenge seine Protagonist*innen einfach erzählen (bei Wenge dürfen allerdings alle Beteiligten mehr oder weniger das Wort ergreifen), was sie beobachten, umtreibt, planen und letztendlich auch umsetzen – oder auch nicht. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber der Gewöhnungseffekt trifft schnell ein. Auch deshalb, weil viele der Verhaltensweisen einem*einer nur zu bekannt vorkommen. Da außerdem Selbstsicht und Fremdsicht in den seltensten Fällen übereinstimmen, entwickeln sich mitunter urkomischen Szenen. So wird der*die Leser*in langsam in einen Sog gezogen und es entwickelt sich eine Dynamik, die ähnlich wie bei Reza beinahe zwangsläufig in einer Katastrophe für zumindest einige der Beteiligten endet.

Gerald Wenge, ehemaliger RUND-Blogger und Autor des Magazins DER TÖDLICHE PASS, gelingt es, trotz weitgehend fehlender Dialoge eine flotte und stimmige Geschichte zu erzählen. Lediglich der kurze Nachklapp „Drei Monate später“ wirkt ein wenig aufgesetzt. Bis dahin aber das reinste Lesevergnügen. Illustriert wird das Geschehen in den Schweizer Bergen im Übrigen mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Fotos von Nicole Naeve.

Gerald Wenge: Frauen spüren das, 2019