Anschlag im Rheinstadion. Eine weitere sinnlose Tat.

Vier Jahre hat Jörg Marenski an seinem neuen Krimi „Rheinstadion“ recherchiert, heißt es zumindest im Klappentext. In so einer langen Zeit kann viel passieren: Da wechseln im und um das Rheinstadion herum Ligen, Trainer, Vorsitzende, Manager, Gegner und nicht zu vergessen die ungezählten Spieler. Die Fans kommen mal mit mehr und mal mit weniger Enthusiasmus und gehen mal mit mehr, mal mit weniger Euphorie wieder nach Hause. Wie das halt so ist, beim Fußball im Allgemeinen und bei der Fortuna im Besonderen.

Vier Jahre Recherche und dann muss sich Marenski von Fortunas noch nicht einmal ein Jahr im Amt befindlichen Vorstandsvorsitzenden Robert Schäfer vorhalten lassen, dieses Buch sei „geschmacklos“. Schäfer bezieht sich dabei vor allem auf die letzten Attentate bzw. Amokläufe in Frankreich und Deutschland, denn gleich zu Beginn seines mittlerweile 8. Düssel-Krimis lässt es Marenski ordentlich krachen – genauer gesagt: Kurz vor Spielanpfiff der Partie Fortuna gegen Dresden gibt es zwölf Explosionen über dem Gästeblock (Herr Marenski & Co., es heißt Gästeblock und nicht Gegnerblock). Von Drohnen transportierte Bomben detonieren und hinterlassen jede Menge Tote und Verletzte in der Düsseldorfer Arena, im Buch als Rheinstadion bezeichnet.

Da ein fremdenfeindlicher Hintergrund der Tat befürchtet wird, schaltet sich die Generalbundesanwaltschaft ein und das BKA übernimmt die Ermittlungen. Den beiden in Düsseldorf tätigen Kommissaren „Micha“ Oberle und „Jupp“ Schmitz, die Hauptpersonen der Düssel-Krimis, passt das zwar nicht, sie arrangieren sich aber im Laufe der Geschichte mit allen ihnen vorgesetzten Personen. Diese mögen, wie der BKA-Ermittler, zwar schwierig sein, haben aber allesamt einen guten Kern. Und eine alles (v)erklärende Vergangenheit. Dies ist im Übrigen ein wesentliches Merkmal des Krimis: Nahezu von jeder Person, die auch nur eine klitzekleine Rolle spielt (z.B. der früh von einem Dresdner Hool im Stadion abgestochene Deniz Ansary – eine Tat, die im Buch gar nicht weiter verfolgt wird), erfahren wir Familienstand, einiges über die Kindheit, was die Eltern so machen etc. Da diese ausufernden Beschreibungen nicht spannend sind, macht sich mit zunehmender Lektüredauer Langeweile breit. Dabei behandelt Marenski brandaktuelle Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Terrorismus, Islam. Rechtes Gesocks, das sich Düsseldorfer Patrioten nennt und als Trittbrettfahrer versucht, tritt auf. Oberles Beziehung wird durch eine lesbische Affäre seiner Sarah ins Wanken gebracht und verschnarchte Düsseldorfer Bullen leiden an permanentem Kontrollverlust.

Sogar die Fortuna kommt noch ins Spiel. Und zwar mit einer Truppe rechter Hooligans mit dem Namen „95 K-Rath“, deren Anführer „Joe“ Löwe aus Flingern kommt und der natürlich auch eine schwere Kindheit hatte. Zugegeben, die Jungs und wenigen Mädels sind ziemlich unappetitlich (aber nicht mehr oder weniger als die Patrioten), doch als Attentäter kommen sie nicht infrage. Das gilt schon eher für die Cousins Hendrik und Tetje Meyer. Marenski widmet den beiden Fortunafans und Dauerkarteninhabern sogar einen eigenen Erzählstrang. In Rückblicken, genannt „Aus der Vorgeschichte des Anschlags“, erfährt man, na was wohl, deren Kindheit. Hier spielt sogar der Großvater, ein alter und sich treu gebliebener Nazi, eine wichtige Rolle. Ganz nebenbei gibt es in diesem Zusammenhang noch einen Parforceritt durch die neuere deutsche Geschichte. Letztendlich handelt es sich trotz des ganzen technischen Brimboriums, der Hools und den mit ihnen glaubensmäßig verwandten Patrioten lediglich um eine lupenreine Rachegeschichte, Kollateralschäden inbegriffen.

Spannung kommt über die rund 270 Seiten keine auf. Das liegt nicht nur an der Erzählstruktur, sondern auch am Stil. Gelegentlich fühlte ich mich an Dialoge aus alten Derrickfolgen erinnert, z.B. wenn Oberle während seiner heftigen Beziehungskrise sagt: „Ich stand am Scheideweg unserer Beziehung.“ Das ist grausam und tut weh. Aber es ist nicht geschmacklos, dass Marenski seine Geschichte rund um die Düsseldorfer Arena und die Fortuna ansiedelt. Das nennt man ganz einfach künstlerische Freiheit, Herr Schäfer. Ob es geschickt ist, eine Geschichte rund um ein Fußballstadion und dessen Hauptmieter zu stricken, ohne vom Fußball Ahnung zu haben, steht wieder auf einem anderen Blatt. Es hätte beispielsweise mindestens genauso gut eine Story rund um die Kirmes und die patriotisch eingestellten Düsseldorfer Schützenbrüder werden können.

Jörg Marenski: Rheinstadion, Band 8 der Düssel-Krimis, Books on Demand 2016